top of page
  • Sven

EIN JAHR MIT HUND

"Ein Jahr mit Hund" lautet der Titel dieses Blogposts. Er könnte aber auch lauten: "Ein Jahr im Fellnasenchaos" oder "Hunderziehung am Rande des Wahnsinns." Andere passende Titel wären: "Eine Hundezunge im Gesicht am Morgen, vertreibt Kummer und Sorgen" oder "Hundehalter finden den Kuscheltod auf dem Sofa". Eins steht jedoch fest, als Cesco vor genau einem Jahr zu uns nach Hause kam, wirbelte er unser Leben ganz schön durcheinander. In dieser Zeit schoß ich natürlich viele Fotos, von denen ich einige zeigen möchte. Doch alles der Reihe nach.




Cesco wurde als ca. 5 Monate alter Welpe, im März 2014, von Micha (Tierschützer in Spanien) in Andalusien am Strand gefunden. Da er ziemlich verwahrlost war, nahm man an, dass er einige Zeit schon auf der Straße lebte oder vielleicht sogar auf der Straße geboren wurde. Das kleine Kerlchen wurde von Micha mit auf ihre Finca genommen und dort aufgepeppelt.

Das Foto oben zeigt Cesco am Tag als er gefunden wurde. Micha nahm es mit dem Handy auf.

Der Name "Cesco" entstand übrigens durch ein kleines Chirinquito am Strand außerhalb von Torre del Mar. Diese kleine Strandkneipe gehört einer Italienerin namens Francesca, die die Bar betreibt. Micha schaute dort wahrscheinlich gerade Fußball (Hannover 96) als Cesco auftauchte. Da Cesco ein Rüde ist, kam der Name Francesca natürlich nicht in Frage. Aus Francesca wurde Francesco, Kurzform Cesco.



Kurz nachdem Cesco gefunden wurde, flog Antje nach Andalusien und arbeitete eine Woche bei Imke und Micha auf der Finca mit. Damals schickte sie mehrmals Fotos von dem Kleinen. Schau mal, der verfolgt mich ständig, schrieb sie. Kindchenschema-Alarm dache ich, wenn das mal gut geht. Nach einigen Wochen kam Cesco dann nach Deutschland. Wir fungierten als Pflegestelle, von der aus er an neue Halter vermittelt werden sollte. Das Foto oben war eines der ersten, dass ich von ihm geschossen habe. Nach ungefähr drei Tagen stellten wir uns die Frage, ob Cesco nicht bei uns bleiben könnte. Er verstand sich problemlos mit unseren damals noch vier Katzen und ein wenig verliebt waren wir natürlich auch. Wir diskutierten darüber, ob es mit unseren Jobs machbar sei einen Hund zu halten und entschieden, dass wir ab sofort Hundebesitzer seien. Anmerken muss ich an dieser Stelle, dass diese Diskussion nicht länger als drei Minuten dauerte. Eine ziemlich objektive und rationale Entscheidung wie man sehen kann. Nun waren wir Pflegestellenversager! Welcome Cesco!!!



Der kleine Spanier hat uns in diesen drei Tagen tatsächlich um den Finger gewickelt. Obwohl ich die Jahre zuvor oft dachte, ein Leben mit Hund wäre bei unserem Lebensstil schwer umsetzbar, fand ich es richtig toll, dass Cesco geblieben ist. Nach einigen Tagen schon hatte ich ihn ins Herz geschlossen und wollte ihn nicht mehr hergeben. Habt ihr mal die süßen Wimpern von ihm gesehen? Schmacht!

Die Fotos von Cesco habe ich übrigens chronologisch geordnet. Toll finde ich zu sehen, wie sich der kleine Fratz auch optisch zu einem pubertierenden Halbstarken entwickelt hat.



Nach einigen Wochen stellten wir fest, dass das Leben mit Hund komplett anderst ist als das Leben mit Katzen und wir kamen doch recht bald an unsere Grenzen. Die Verliebtheitsphase war vorbei und der Alltag kehrte ein.

Die größte Umstellung war natürlich unser veränderter Tagesablauf. Bisher gingen Antje und ich unseren Jobs und unseren Projekten nach, was mit Hund nicht mehr ganz so einfach ging. Bei länger andauernden Fototerminen, musste ich z.B. zwischendurch mal kurz nach Hause, um den Bäumen der Umgebung einen Besuch abzustatten. Dann versuchte uns der Straßenrowdie in einigen Lebensbereichen zu diktieren wo es langgeht. So kam es z.B. hin und wieder vor, dass Cesco mir in die Wade zwickte, wenn ich "zu lange" am PC saß und arbeitete. Bekomme ich keine Aufmerksamkeit, belle ich mal eine Runde, dachte er. Reagiert der Alte immer noch nicht, hacke ich ihm mal meine Zähne in die Wade. Bingo, hat geklappt. Dann kackte Cesco in der Anfangszeit ständig in die Wohnung, weil er die Futterumstellung nicht vertrug (kann ich nachvollziehen, ich esser auch lieber spanische Tapas als gutbürgerlich deutsch) und noch nicht stubenrein war. Während meinen Nachtdienstwochen stand ich dann schon nach drei Stunden Schlaf auf, um mit ihm Gassi zu gehen. Mittlerweile "barfen" wir, das verträgt er sehr gut. BARF = Biologisch Artgerechte Rohfütterung, für alle Uneingeweihten. Was soviel heisst, dass unser Hund mit rohem Futter ernährt wird. Für mich als Vegetarier, könnte man den Gang durch den BARF-Shop, mit 100m Delphinschwimmen in der Fleischtheke einer Metzgerei vergleichen. Verdammt lecker! Was man nicht alles für dieses Fellknäuel tut.



Gassi gehen war im ersten dreiviertel Jahr auch ein richtiger Spaß! Sobald sich die Tür öffnete, wurde man von einer 500PS Dampflok durch das Feld gezogen. Da wir anfangs dachten, Hunde brauchen vieeeeel Auslauf, spielten wir in der ersten Zeit fünfmal am Tag, für mindestens eine halbe Stunde, Eisenbahn. Er als Lok, wir als Güterwagon ohne Bremsen. In der Wohnung verlief zum größten Teil alles ganz friedlich, bis auf die Situationen, in denen wir ohne Hund die Wohnung verlassen wollten. Da bellte er nämlich das ganze Haus zusammen. Einmal hörte ich ihn sogar als ich an der Straßenbahnhaltestelle stand. Autsch!

Waren wir gestresst? Jaaaa, wir waren gestresst und erkannten: "Wir brauchen Hilfe!"



Hilfe kam in Person von Heike Rinn, Leiterin der Hundeschule CANOIDEA in Karlsruhe. Sie begrüßte uns und ignorierte Cesco, der wie blöd an ihr hochsprang. Dabei stieß sie ihn, ohne ihm Beachtung zu schenken, von sich und redete einfach mit uns weiter. Mein erster Gedanke: "Warum beachtet die meinen süßen Hund nicht und wie geht die überhaupt mit ihm um?!" Ein Jahr später denke ich: "Was für ein Glück, haben wir diese Frau kennengelernt!!!"

Heike gab uns beim ersten Treffen schon einige Tipps und Hausstandsregeln mit auf den Weg, die sofort Wirkung zeigten. Das Wadezwicken war einen Tag später z.B. schon passé. Mit Heike stiegen wir ins Einzeltraining mit Cesco ein und beackerten einige grundelegende Erziehungsthemen. Regelmäßig besuchten wir auch eine Hundegruppe bei ihr und belegten einen Workshop.

Stichwort "Hundegruppe", das war zu Beginn auch sehr peinlich. Alle Hunde lagen entspannt auf dem Boden und warteten bis es losging. Nur unser spanischer Macho krakeelte an der Leine herum und konnte es nicht abwarten, zu seinen Kumpels zu kommen. Damals wollte ich im Boden versinken, da ich innerlich die imaginären Denkblasen der anderen Hundehalter sah, in denen sicherlich stand: "Was für ein unerzogener Köter!". Die Leute waren aber sehr nett und berichteten, dass ihr eigener Hund sich anfangs genauso verhielt. Nach dem dritten Treffen konnte ich mir noch gar nicht vorstellen, dass sich dieses Verhalten irgendwann mal verändern würde. Frust!!!



Doch es veränderte sich etwas. Dank der Ausdauer und der Klarheit von Heike. Wir mussten uns natürlich intensiv mit uns selbst, unserer eigenen inneren Haltung und unserer Konsequenz auseinandersetzen. Doch nach einiger Zeit wurde unser häusliches Leben viel entspannter. Es gab Themen die veränderten sich sofort oder schon nach kurzer Zeit, an anderen wiederum arbeiteten wir wirklich einige Monate. Ja, es gibt auch Themen, an denen arbeiten wir nach wie vor. Gerade das Thema Leinenführigkeit war nicht wirklich einfach. Erst nach ca. einem Jahr haben wir hier das Gefühl, hier tut sich etwas. Auch wenn die Dame im YouTube-Video sagte: "Wenn ihr das richtig macht, ist diese Sache in 30 Tagen durch!". Erkläre das mal jemand unserem Hund!!!

In den täglichen Gassirunden bleibt die Dampflok seit ca. zwei Monaten in der Garage. Die wird nur noch bestiegen, wenn Kumpels dabei sind. Aber auch das wird Schritt für Schritt besser.

Mittlerweile hat Antje gemeinsam mit Cesco eine Therapiebegleithunde-Ausbildung begonnen. Vor zwei Wochen war ich bei einer Exkursion in Pforzheim mit dabei und war hinterher irre stolz auf unseren Spanier. Hätte mir jemand vor einem halben Jahr erzählt, dass er diese Exkursion so souverän meistert, hätte ich das niemandem geglaubt.



Nach einem Jahr mit Hund kann ich sagen, Cesco hat mein Leben bereichert. Dieses Jahr war sehr anstrengend, mit sauviel Arbeit und vielen Frustrationen verbunden. Cesco ist kein Hund, der einfach so mitläuft und anspruchslos ist. Man muss viel mit ihm arbeiten und immer dran bleiben. Wir investierten bisher wirklich unglaublich viel Energie, in Erziehung und Strukturierung des Alltages. Täglich rappeln wir uns aufs Neue auf, um dran zu bleiben. Das Schöne ist jedoch, dass immer unglaublich viel zurückkommt. Das fängt morgens an, wenn Cesco schwanzwedelnd neben dem Bett auftaucht und einem das Gesicht ableckt und endet abends, wenn wir ins Bett fallen und Cesco auf seinen Schlafsessel springt und nochmal rüber schielt, bevor er sich schlafen legt. Schon nach einem Jahr können wir unglaublich viele Geschichten erzählen, die wir gemeinam erlebten. Weiterhin muss man sagen, wir haben in diesem Jahr auch wirklich unheimlich viel über unseren Hund gelacht.

Das erste Jahr haben wir nun hinter uns. Ich bin gespannt, was uns im nächsten Jahr erwarten wird.


81 Ansichten
bottom of page