Vor einigen Wochen klingelte der Postmann und übergab mir das neue Buch von Robert Mertens, DER EIGENE BLICK. Schon seit längerer Zeit wartete ich auf die Veröffentlichung, denn das Erstlingswerk von Robert Mertens - KREATIVE FOTOPRAXIS - fand ich für mich persönlich schon sehr bereichernd.
In KREATIVE FOTOPRAXIS geht es primär um die Entwicklung einer kreativen Arbeitsweise für Fotografen und um Methoden, Ideen zu spinnen und weiterzuentwickeln. DER EIGENE BLICK beschäftigt sich im Unterschied dazu schwerpunktmäßig mit der Persönlichkeit des Fotografen. Es geht insbesondere um den Prozess eine eigene Bildsprache zu entwickeln. An einigen Stellen finden sich in den beiden Bücher natürlich Schnittmengen, da sich die Buchthemen nicht immer klar voneinander trennen lassen.
Der Aufbau von DER EIGENE BLICK ist klar strukturiert, sodass man sehr schnell Orientierung findet. Alle Kapitel sind ähnlich aufgebaut und gliedern sich in einen Theorieabschnitt und in einen Workshopabschnitt. Das Buch ist weniger dafür geeignet um es in einem Rutsch durchzulesen, da es inhaltlich unheimlich gehaltvoll ist und man Robert Mertens Gedanken in sich wirken und arbeiten lassen muss. Die Idee der Workshops lassen es natürlich schon erahnen, man braucht Zeit für dieses Buch. Der Grundgedanke der sich bis zum Ende durchzieht ist, die „Persönliche fotografische Weiterentwicklung“. Robert Mertens schreibt, dass die Entwicklung hin zu einer eigenen Bildsprache ein Prozess ist der Jahre, mitunter ein gesamtes Leben, andauert. Es gibt keinen Punkt an dem dieser Prozess abgeschlossen ist, er geht immer weiter. Die Workshopabschnitte greifen genau dies auf.
Wer ein wenig in der Fotoszene aktiv ist stellt fest, dass viele Bücher oder auch DVD Tutorials darauf ausgelegt sind, Bildstile oder auch Arbeitsprozesse zu kopieren. In den vergangenen Jahren entstanden dadurch immer wieder verschiedene Trends die dazu führten, dass man in einschlägigen Foren oder Sozialen Medien oft ähnliche Fotoarbeiten zu sehen bekam. DER EIGENE BLICK geht hier einen anderen Weg. Robert Mertens spricht genau die Menschen an, die sich aus der Masse hervorheben und ihren individuellen Weg gehen möchten. Er schreibt, dass jeder Fotograf eine eigene Bildsprache in sich trägt, einfach schon dadurch bedingt, weil er eine individuelle Persönlichkeit ist. Jeder Fotograf kennt den Zeitpunkt, an dem sich das Gefühl aufdrängt in einer kreativen Sackgasse zu stecken. Hier bietet das Buch Techniken an, festgefahrene Strukturen und Denkmuster zu hinterfragen. Generell liest man im Buch, dass es wichtiger ist die richtigen Fragen zu stellen, als eine schnelle und die nächstliegende Antwort zu finden. Interessant ist die Sichtweise, dass es in unserer Gesellschaft eher als Bedrohung wahrgenommen wird Fragen zu stellen und dass in unserer Berufswelt immer versucht wird eine schnelle Antwort zu finden. Wer Antworten liefert wird anerkannt, wer Fragen aufwirft wird eher kritisch beäugt. Robert Mertens sieht jedoch genau hier einen Schlüssel für ein kreatives Arbeiten. Nur offene Fragen fördern die inneren Entwicklungsprozesse.
Was ich sehr interessant finde ist, dass an einigen Stellen auf bekannte Themen eingegangen wird, die man auch in anderen Fotobüchern findet. Inhaltlich werden diese Themen jedoch anders ausgefüllt. Beim Thema „Bildschnitt“ z.B. liest man in anderen Büchern oft die Aussage „Wer die Regeln kennt, kann diese auch brechen“. Was bedeutet es aber eine Regel zu brechen? Oftmals ist dies eine Phrase, die dem Leser hingeworfen wird, jedoch inhaltslos bleibt. Wenn ich als Fotograf die Regel des Goldenen Schnittes brechen will, setze ich mein Hauptmotiv dann einfach außerhalb des Goldenen Schnittes? Wird das Bild dadurch automatisch besser und interessanter?
Robert Mertens hingegen füllt diese Aussage mit Inhalt. Er schreibt z.B. über Intuition und Emotionen, was diese Phrase deutlich greifbarer macht. Bekannten Themen werden so an vielen Stellen neue Sichtweisen eingehaucht und bei mir stellte sich oft der Effekt ein, „stimmt, so habe ich das noch gar nie gesehen“.
Für mich persönlich war und ist DER EIGENE BLICK ein Augenöffner, da ich mich in den letzten Jahren doch zu oft auf das verlassen habe was ich kann und was gut funktionierte. Der Buchinhalt nimmt den Leser an die Hand und führt in schlüssig auf einen individuellen Weg der Weiterentwicklung. Robert Mertens schafft es gekonnt Motivation aufzubauen und man hat unheimlich Lust neues auszuprobieren. Die Inhalte werden übrigens von Fotoarbeiten begleitet, die von Robert Mertens selbst und von Heidi Simon stammen. Nach dem Lesen der Theorie habe ich mir vorgenommen mich sukzessive mit den Workshops zu beschäftigen und die Arbeiten die dabei entstehen regelmäßig in meinem Fotoblog zu veröffentlichen.
DER EIGENE BLICK Robert Mertens Rheinwerk Verlag
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